Frühling – Szene 3

Der Angriff kam wenig Überraschend. In der annähernd brettflachen Steppe hatte Juls Trupp einen weiten Blick in alle Richtungen. Als an ihrem zweiten Tag in der ehemaligen Station des Mechanikum eine Staubwolke am Horizont auftauchte, war allen klar, dass es bald zum Gefecht kommen würde. Die Brüder des Trupps hatten den letzten Tag genutzt um einen Graben um das kleine Lager herum auszuheben und aus den Blechen und Pfeilern der ehemaligen Gebäude eine Palisade zu errichten. Der Graben war nicht besonders tief und die Palisade nicht besonders hoch. Jul machte sich keine Illusionen darüber, wie lange er ihnen nutzen würde, aber es war besser als in der freien Steppe zu stehen.

Marcus hatte in der Zwischenzeit die Hinterlassenschaften der Techpriester untersucht und bemerkenswertes gefunden. Die kleine Gruppe war – wie Marcus vermutet hatte – hier um neue Terraforming-Technologien zu testen. Offensichtlich mit Erfolg. Vielleicht sogar mit mehr Erfolg als sie gehofft hatten, vermutet Marcus, denn das System war eigentlich zu weit entfernt um die Präsenz ganzer Tyraniden Rotten zu erklären. Vielleicht hatten die Diener des Mechanikums mit dem beschleunigten Wachstum der Flora des Planetens den Großen Vertilger angelockt. Sollte an der Theorie etwas dran sein, so hatten das Mechanikum zumindest ungewollte eine Methode gefunden, die Tyranidenschwärme auf falsche Fährten zu locken – eine wertvolle Waffe im bisher nicht ganz so erfolgreichen dafür aber umso verlustreicheren Kampf gegen die Xenos und ein Grund mehr diesen Planeten unbedingt lebendig zu verlassen.

Marcus wurde durch das Knistern von Energieklauen aus seinen Überlegungen gerissen. Draußen vor der offenen Luke des Land Raiders stand gelassen der junge Bruder William und blickt Marcus einen Moment lang stumm an. William war noch nicht lange ein vollwertiger Astartes und obgleich er schon die Höhe hatte, fehlten ihm noch ein paar Kilos für die Wuchtigkeit, die die meisten seiner Brüder hatten. Dafür war der früher so quirlige Jung inzwischen so ruhig und wortkarg wie die meisten Spirit Bears. Marcus verblüffte diese Verwandlung, die mit dem Einpflanzen der Gensaat begann immer wieder.

“Sie kommen, Bruder Apothecarius.” Er machte eine Pause und strich sich in in einer einzigen ruhigen Handbewegung durch das lange, lockig-gelbe Haar und über den dichten aber ordentlichen Bart. “Ihr solltet euch vielleicht bereit machen.” sagt er schließlich und schritt zielstrebig aber ohne Hast zu seinem Posten. Marcus verblüffte die Gelassenheit der Spirit Bears immer wieder. Als Xeno-Spezialist war er bereits viel herumgekommen und hatte weit mehr als seine Brüder, mit anderen Orden zusammen gekämpft. Aber so stoische Krieger wie die Bären hatte er nirgends getroffen.

Im Dunkeln des Land Raider blickte er noch einen Augenblick zu Boden. Dann setzte er seinen Helm auf und trat ins Freie. Wie er erwartet hatte, standen die 10 Krieger, mit denen er hier gelandet war in Gruppen zu je zwei Mann gleichmäßig verteilt entlang der hastig erichteten Palisade. Das knisternde Blau der Energiewaffen spielte auf ihren cremefarbenen Rüstungen. In der Ferne war eine Staubwolke zu sehen und alle elf Marines hatten ihren Blick darauf geheftet.

“Versucht, soviele von den Mistviechern vor dem Graben zu erwischen, damit er uns wenigstens bei der erste Welle eine Hilfe ist. Feuern sobald sie innerhalb der Maximalreichweite sind! Ihr könnt sie eh nicht verfehlen.” klang Juls Stimme durch den Kom. Noch konnten sie nicht genau sagen, wie groß die Rotte war, die dort auf sie zuhielt, aber eines war klar: Graben und Palisade alleine würden sie nicht retten.

Schweigend und fast unbewegt blickten sie zum Horizont. Jetzt konnte man auch langsam das Reiben und Schlagen der Chitinpanzer hören, das zusehends die Stille der Steppe verdrängte. Die Größe der Rotte verblüffte Marcus und inzwischen füllte sie in etwas die Hälfte seine Sichtfeldes aus. ‘Wovon sie sich wohl ernährt haben’, rätselte Marcus noch, als er schon die ersten Individuen im Schwarm ausmachen konnte. Symbioten. Mit Erleichterung stellt er fest, dass keine der größere Tyraniden-Arten zu sehen waren. Dann bellte Juls Bolter.

Einen Augenblick später erfüllt das vertraute Staccato des Bolterfeuers eines ganzen Trupps die Luft und mit etwas Verzögerung fiel auch Marcus in das erbarmungslose Feuer seiner Brüder ein. Kreischend ging die erste Reihe der anstürmenden Feinde zu Boden, ihre Körper von den massereaktiven Geschossen zu einem Dunst aus Blut und Chitinsplittern zerfetzt.

Jetzt erfüllte auch ein leises Grollen das Com. Die Spirit Bears waren in ihrem Element. In Jahrzehnten treuen und blutigen Dienstes hatten sie gelernt, den Bestien in sich Schritt für Schritt, Schuss für Schuss mehr Freiheit zu lassen. Ihr Knurren verkündete jedem Bruder, dass er nicht alleine kämpft und in welchem Zustand sich seine Kameraden befanden. Mit der Präzision, die endloses Blutvergießen mit sich bringt, hielten sie das Feuer auf die anstürmende Rotte aufrecht. Doch so beeindruckend der Sturm aus Boltergeschossen auch war, der Angriff der Tyraniden schien sich nicht im Geringsten zu verlangsamen. Wann immer sie einen Symbioten niederstreckten, nahm ein anderer seine Stelle ein, als hätte es nie eine Lücke im Schwarm gegeben.

Marcus war freudig überrascht, dass der Schwarm keine Ganten oder Tyraniden-Krieger enthielt. Die biologischen Fernwaffen dieser Spezies hätten den Space Marines zu diesem Zeitpunkt des Gefechtes nicht erlaubt, mit dem Bolterfeuer so massiv durch ihre Feinde zu mähen, wie sie es jetzt taten. Und im gleichen Augenblick, da ihm dieser Gedanke kam hatte er eine schreckliche Vermutung. Während seine Brüder weiterhin Magazin um Magazin leerten, blickte sich Marcus hastig um, auf der Suche nach etwas ungewöhnlichen. Und tatsächlich, dort oben auf einem der Felsen in der Mitte des Lagers konnte er ein Flackern in der Luft ausmachen.

“William, James! Über euch!” rief Marcus übers Com den beiden Marines zu, die keine zehn Meter von dem Felsen entfernt standen. Doch da befand sich der Liktor bereits im Sprung. William drehte mit übermenschlicher Geschwindigkeit seinen Oberkörper nach hinten und brachte seine Energieklaue hoch, ohne dass er den Gegner gesehen hätte. Seine blonde Mähne folgte seiner fließenden Bewegung wie ein wilder Strom aus Gold. Instinkt und endloses Training führten seine Bewegung genau richtig und mit einem hellen Aufblitzen und einem lauten Knistern fiel der Liktor direkt in Williams Klauen. Doch die Wucht des Aufschlags ließ beide stürzen. James der unmittelbar neben William stand hatte in der Zwischenzeit seine Energieaxt vom Rücken gezogen und versuchte nun, den Liktor, der auf William kniete mit einem weiten Hieb zu erwischen.

Doch noch bevor der Liktor von James’ Axt an der Hüfte in zwei leblose Teile zertrennt wurde, versenkte er eine seiner Sichelklauen in William Brustpanzer und die andere schlug nach James Beinen. William schrie das Monster aus voller Kehle an. Mehr aus Zorn als aus Schmerzen, denn sein genetisch manipulierte Überkörper und seine Rüstung hatten bereits den durchlöcherten Lungenflügel abgeklemmt und schmerzstillende Stoffe wurden in sein Blut injiziert.

Mit rasender Geschwindigkeit war William wieder auf den Beinen und zerfetzte mit einem hieb, was James’ Axt vom Liktor übrig gelassen hatte. James allerdings war inzwischen zu Boden gegangen. Der Liktor hatte ihm den linken Fuß kurz über den Knöchel abgetrennt und unter der Wucht des Schlages hatte er die Balance verloren. Ohne ein Wort zu sprechen ging William auf James zu und half ihm auf. Gleichzeitig richteten sich beide wieder in einer einzigen geschmeidigen Bewegung zum Graben und zu Palisade aus, denn sie wussten, dass der Kampf mit dem Liktor sie Zeit gekostet hatte und da sie die rechte Flanke bildeten, war dieser Verlust umso grausamer.

Marcus sah, wie sie die beiden schon im nächsten Moment ihre Bolter zogen und das Feuer wieder eröffneten. Aber es war schon zu spät. Die Rotte hatte sich auf voller Breit bedenklich nah dem Graben genähert, aber an Williams und James’ Abschnitt waren die ersten Genestealer bereits im Begriff, die Palisade zu überwinden. William lies den Bolter wieder los, der daraufhin an einem Gurt nach hinten fiel. Er brachte seine Energieklaue hoch und zerschnitt dem ersten Genestealer der über die Palisade sprang mühelos den Kopf.

Marcus rannte zu William und James. Zum einen brauchten sie dringend Verstärkung und eigentlich brauchten beide auch medizinische Versorgung. Sollten sie aber fallen, war es Marcus Aufgabe ihre heilige Gensaat zu retten und das ging nun einmal leichter, wenn man schon in der Nähe war. Marcus hatte in der Beziehung keine romantischen Vorstellungen. Noch im Laufen fegte er ein halbes Dutzend Genestealer von der Palisade und als er nach wenigen gewaltigen Schritten direkt an der Palisade angekommen war, tauschte auch er den Bolter gegen sein Energieschwert, und hieb sich durch Klauen und Arme, Köpfe und Körper des über sie hereinbrechenden Schwarms.

“Wir brauchen hier schweres Feuer.”, rief er in den Com und im nächsten Augenblick erhob sich aus dem Garben vor ihm eine Feuerwand und er hörte das Kreischen der Tyraniden, das Knacken und Bersten ihrer brennenden Panzer. Bruder Jonathan hatte mit seinem Flammenwerfen den Graben bestrichen und auf einer Länge von gut 15 Metern brannte die Xenosbrut jetzt darin. Der Gestank nach brennendem Fleisch stach Marcus in der Nase.


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