Frühling – Szene 2

Marcus macht sich große Sorgen. Natürlich waren sie hier von den Ausläufern der Schwarmflotte Leviathan nicht mehr weit entfernt, aber doch immer noch weit genug, als dass er Tyraniden hier nicht erwartet hätte. Nur durch Zufall waren sie in diesem System vorbeigekommen, das beim letzten Besuch von Imperialen Einheiten vor einigen hundert Jahren noch als unbewohnt, unbewohnbar und wertlos klassifiziert worden war. Dass inzwischen auf mehreren Planeten zumindest pflanzliches Leben und eine atembare Atmosphäre existierten, erfreute nicht nur Marcus sondern weckte auch den Verdacht des Wolflords.

Marcus war auf eigenen Wunsch mit einem Rudel auf dem ersten Planeten zurückgelassen worden, während Isbrand mit der Weisheit weiter ins Innere des Systems vordrang. Auf dem Rückweg würden sie wieder eingesammelt werden. Bis dahin hatte Marcus Gelegenheit den neuerdings überraschend grünen Planeten zu erkunden. Drei Tage hatten sie bereits den größten Kontinent mit ihrem Land Raider untersucht. Der Thunder Hawk, der sie abgesetzt hatte war wieder zur Weisheit des Wolfs zurückgekehrt und es blieb ihnen nichts anderes über, als auf seine Rückkehr zu warten. Und eben das machte Marcus und inzwischen auch den anderen Brüdern seines Trupps Sorgen.

Liktoren waren oft Vorhut der Schwarmflotten. Wenn sie Glück hatten, war die inzwischen narkotisierte Bestie, oben im Käfig auf dem Dach ein Einzelgänger. Wenn sie allerdings Pech hatten, steckten Sie mit einem Haufen Tyraniden hier fest. Die Tyraniden kamen als einzige bekannte Spezies von Jenseits der Galaxis. Sie reisten in gewaltigen lebenden Raumschiffen. Planeten, die ihren Weg kreuzten wurden von den Tyraniden bis auf das letzte Kilogramm Biomasse und den letzten Liter Wasser absorbiert. Alles wurde an Bord der Schwarmschiffe geschafft und dort zu Produktion neuer Tyraniden-Krieger und Schiffe verwendet. Die Tyraniden kamen so unaufhaltsam über die Galaxis wie die Dunkelheit am Abend und weder dem Imperium noch den anderen Völker war es bisher gelungen, dem Großen Vertilger etwas Ernsthaftes entgegenzusetzen.

Marcus wußte das nur zu gut. Und die Freude, einen Liktor lebendig gefangen zu haben wurde immer wieder von der Sorgen getrübt, dass er möglicherweise nicht mehr viel Gelegenheit haben würde, die Bestie zu studieren. So polterte der Land Raider durch die flache Steppe auf der Suche nach weiteren Spuren oder einem Ort, der sich leichter verteidigen ließ. Die Stimmung im innern des Panzers war noch gedrückter als Marcus’. Kein Mitglied des Rudels hatte Angst. Sie hatten vor langen Jahren vergessen, was Angst war. Aber sie waren enttäuscht. Keiner hatte hier mit der Anwesenheit von Tyraniden gerechnet. Im Gegenteil: Das überraschende Grün hatte eher auf versprengte Siedler des Imperiums hingewiesen. Die Aussicht hier, am Rande des Imperiums in einem unbedeutenden System, im einem unbedeutenden Gefecht gegen einen so ruhmlosen Gegner zu fallen, war nicht gerade die Vorstellung eines Heldentods, wie er in den Herzen von Space Wolves ruhte.

Die Grosskompanie der Stoneborn, zu dem Juls Trupp ebenso wie Marcus gehörte, unterschied sich in mehreren Hinsichten nicht nur von regulären, Codex-treuen Ordnen sondern auch von anderen Grosskompanien der Space Wolves. Die Stoneborn waren rastlos und neugierig. Sie streiften oft in kleineren Verbänden durch die Systeme, die unter ihrem Schutz standen. Oft genug ließen sich Einheiten von ihnen aber auch auf Einsätze weit außerhalb dieser Grenzen ein, stets auf der Suche nach mehr. Unter den anderen Grosskompanien genossen die Stoneborn einen sonderbaren Ruf. Sie galten unter vorgehaltener Hand als kampfscheu, was der Wahrheit nicht wirklich entsprach. Sie liebten den Kampf kaum weniger als ihre Brüder. Aber sie hatten im Laufe der Jahre gelernt, dass sie dem Allvater oft schon alleine durch ihre Anwesenheit dienen konnten. Mehr als eine Rebellion und mehr als ein Herätiker hatten bei der Kunde von der Ankunft der Space Marines ihr übles Treiben von alleine beendet.

Ihre unangekündigten, oft nur kurzen Besuche selbst auf völlig friedlichen Welten hatten ihnen einen Ruf als Beobachter und Bewacher eingebracht auf den sie auch stolz wahren. Die steinernen Wölfe, hieß es, sehen alles und wandern durch die Galaxis um die Kinder des Allvater zu beobachten und zu erinnern, was ihre Pflicht ist. Jeder Stoneborn war stolz auf diesen Ruf, vergaß dabei aber nicht, dass ein Ruf alleine keine Feinde tötet. Und so ließen sie diejenigen ihre Gnadenlosgkeit spüren, die Zweifel an der Kraft der Steinern Wölfe hatten.

Im Kampf waren sie wilden Bestien und standen ihren Brüdern in den anderen Grosskompaniene in dieser Hinsicht kaum nach. Sie bevorzugten Schwere- und Nahkampf-Waffen und verzichteten oft gänzlich auf Fahrzeuge. Ein Spirit Bear bevorzugte die Schlichtheit und Unmittelbarkeit des Kampfes Mann gegen Mann.

Gegen Abend fanden sie wonach sie suchten. Am Horizont hatte sich im letzten Licht des Tages eine Silluette abgezeichnet, die entweder auf eine Felsenformation oder eine Ansammlung von Gebäuden war. Als sie näher kamen stellten sie fest, dass es beides war. Ein gutes halbes Dutzend flacher Baracken aus Beton und Blech schmiegte sich an eine Gruppe von gut doppelt so hohen Granitfelsen, die wie Grabsteine senkrecht in der Erde standen. In den Gebäuden brannte kein Licht und auch sonst gab es kein Anzeichen von Leben, so dass Sergeant Jul volle Kampfbereitschaft befahl. Knapp 100 Meter vor dem ersten Gebäude lies er den Land Raider stoppen, der bei bremsen die dünne Grassicht vom sandigen Steppenboden riss.

Binnen weniger Augenblicke war der Trupp bis auf den Fahrer und die beiden Kanoniere ausgestiegen und in perfekter Kampfformation ausgeschwärmt. Mit der Skepsis von zweihundert Jahren Dienst im Orden und tausenden Einsätzen misstraute Jul der jämmerlichen Ansammlung von Hütten vor ihm. Fast bewegungslos und völlig geräuschlos standen die 8 Marines seines Trupps in der Steppe, jeder den ihm zugewiesenen Vektor beobachtend. Jul lauschte in die Nacht hinein. Aber außer dem Knacken des sich abkühlenden Land Raiders gab es nicht das Geringste zu hören.

Marcus der noch direkt hinter dem Panzer stand, weil er nicht Teil der regulären taktischen Formation war, durchbrach als erster die Stille. Geduld war noch nie seine Stärke und sie stand stets in Zweikampf mit seiner Neugier. “Gibt es etwas verdächtiges, Bruder Jul?”. Jul schwieg als Antwort auf Marcus Frage noch einen Moment, dann befahl er Bruder William und Bruder James vorzurücken, während der Rest des Trupps langsam nachzog.

Sie waren noch keine zwanzig Meter weit gekommen, da schwenkte Bruder Williams Suchscheinwerfern auf die ersten toten Körper; unzweifelhaft Tyraniden, aber es waren Symbionten, eine andere Gattung der Tyraniden. “Möge der Imperator sie zerschmettern.” entließ Jul einen Fluch in den Kom. Symbionten waren ein schlechtes Zeichen. Anders als Liktoren tauchten sie stets in Rotten auf. Wo einer war, da waren viele andere selten weit. Und so auch diesmal. Je näher sie den Gebäuden kamen, desto mehr Tyraniden Kadaver lagen am Boden. Inzwischen war auch Marcus, der immer noch in der Nähe des Land Raiders ging am ersten Kadaver angekommen. Schnell konnte er erkennen, dass dieser bereits eine ganze Weile tot war; Wochen, wenn nicht Monate oder Jahre.

Gerade als er in der Chitin-Hülle der Kreatur herumstocherte, kam über Kom der nächste Schlüssel zum Geheimnis dieses Planeten. “Das Mechanikum war hier.” erklang Bruder Williams Stimme im Com. William war noch gut 30 Meter von einem der größeren Gebäude entfernt, und seine lange blonde Mähne war noch von weitem zu erkennen war, denn er bevorzugte es wenn möglich ohne Helm zu kämpfen. In der Mitte des soliden zweistöckigen Stahlbetong Gebäudes, das früher offensichtlich das Hauptquartier dieser Station war, hing der Totenkopf und das Zahnrad – das Symbol des Mechanikums, jener uralten Einrichtung des Imperiums, die sich dem Dienst an den Maschinen ebenso verschrieben hatte wie vielen Bereichen der Wissenschaft. “Bestätige, ” sagt Bruder James “hier liegt ein Techpriester. Das Gras wächst schon durch seine Rippen.”

Marcus lies umgehend von seinem Tyraniden-Kadaver ab und lief zu Bruder James. Marcus pflegt gute Kontakte zum Mechanikum und er kannte sich sehr gut mit der Organisation aus. “Hm. Ich kenne ihn nicht, aber er ist vom Magos Biologis. Das ist interessant.” Murmelte Marcus. “Interessant oder nicht ist mir egal. Zweier Trupps bilden und die Gebäude nach Überlebenden absuchen!” bellte Jul ins Interkom.

Sie sollten keine finden. Dafür fanden sie im ersten Licht des neuen Tages Spuren von wenigstens einer Rotte Tyraniden, die hier vor wenigen Tage gewesen sein mussten. Angesichts der Tatsache, dass es auf diesem Planeten außer Gras nicht viel zu fressen gab und Tyraniden miteinander in telepathischer Verbindung standen, dürfte es nicht lange dauern, bis der gefangene Liktor, der sich immer noch in seinem Käfig auf dem Dach des Panzers befand, seine hungrigen Artgenossen hierhergeführt hatte. Den meisten Marines des Trupps war das Recht. Vor einem Feind davon zu laufen war nicht ihre Art und so gab Jul bald den Befehl, aus den Resten der übel zugerichteten Barracken eine Verteidigungsstellung aufzubauen.


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